In der Rubrik „Drei Fragen an:“ stehen unsere Experten aus dem Partnernetzwerk der Republic Affairs® zu aktuellen Anlässen Rede und Antwort. Jo Leinen, Klimaschützer und langjähriger Umweltpolitiker nimmt heute zu den mutmaßlichen Anschlägen auf die Ostseepipelines Nordstream 1 und 2 Stellung.
Frage 1: Nach dem mutmaßlichen Sabotageakt auf die Pipelines Nordstream 1 und 2 in der Ostsee treten große Mengen Methan aus. Welche Auswirkungen hat das auf unser Klima?
Jo Leinen: Die blubbernde Ostsee zeigt bildlich, wie der Klimakiller Methan in die Atmosphäre strömt und dort große Schäden anrichtet. Wir reden über ungefähr 500 Millionen Kubikmeter Gas, die sich in den Pipelines befinden und jetzt unweigerlich über Tage hinweg freigesetzt werden. Auf einen Schlag wird sinnlos so viel Methan emittiert, wie ganze Staaten über mehrere Tage für Industrie und Gesellschaft benötigen würden. Als einzelner Akt betrachtet ist dieser mutmaßliche Anschlag eines der größten bislang verübten Klimaverbrechen. Die gesamte Menschheit ist Opfer dieser Tat.
Frage 2: Was genau ist Methan und warum sind Methanemissionen so schädlich für das Klima?
Jo: Leinen: Methan entsteht, wenn organisches Material ohne Luftzufuhr abgebaut wird, wie zum Beispiel in Mooren und Sümpfen, in Kuhmägen oder auf Mülldeponien. Indem wir fossiles Methan, also Erdgas, als Energiequelle nutzen, setzen wir es in der Atmosphäre frei und schädigen das Klima. Methan ist wie CO2 ein Treibhausgas, trägt aber während seines Zerfalls wesentlich stärker zur globalen Erwärmung bei als CO2.
Frage 3: Welche Konsequenzen müssen aus dieser Katastrophe gezogen werden?
Jo Leinen: Wenn es eine vorsätzliche Tat war – und viele amtliche Stellen gehen mittlerweile davon aus –, dann ist das eine neue Dimension des Terrors. Ein derartiger Anschlag auf die kritische Energieinfrastruktur zeigt, dass neben den verheerenden Klimaschäden durch fossile Energiegewinnung auch ein immenses Sicherheitsrisiko damit einhergeht. Die Kosten, die in Zukunft mit dem Schutz von Pipelines über tausende Kilometer und auf dem Meeresgrund verbunden sind, werden die Energiepreise weiter nach oben treiben. Wir brauchen noch schneller die Wende hin zu erneuerbaren Energien, die jedenfalls mit Klimarisiken dieser Art nicht verbunden sind.
Wer auch immer hinter diesem mutmaßlichen Anschlag steckt, hier wurde ein Verbrechen gegen die Menschheit verübt. Die Täter müssen international verfolgt werden. Es ist ein nie da gewesener, vorsätzlicher Ökozid. Seit Jahren wird darüber debattiert, ökologische Zerstörung als neuen weltweit anerkannten Straftatbestand zu ahnden und vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Anklage bringen zu können. Dies wäre ein Muster-Anwendungsfall.